Globales Lernen für Alle - wie aus Erdenbürger Weltbürger werden.

Jörg Stähler

Wenn ein neues Kind geboren wird, gratulieren wir den Eltern mit einem Lächeln zum neuen „Erdenbürger“. Was wir in der Regel scherzhaft meinen, entspricht der Realität. Jeder neue „Erdenbürger“ ist eigentlich ebenso ein neuer „Weltbürger“.
Durch die Globalisierung haben wir gelernt: Alles hängt zusammen, alles ist sehr komplex. Zum Beispiel: Wenn wir in Deutschland Kaffee und Bananen konsumieren, ist klar, dass beide Produkte nicht aus Deutschland kommen. Wie wir mit diesen beiden Produkten umgehen, d.h. wieviel wir dafür bezahlen, beeinflusst wiederrum nicht nur unser Leben, sondern auch das Leben von Menschen in den jeweiligen Anbauländern sowie die natürlichen Ressourcen der Erde.
Was die Reformation vor 500 Jahren an Freiheit in Gang gesetzt hat, ist durch Globalisierung und das weltweite Internet auf eine neue Stufe gehoben worden. So ruft die UNESCO zum Globalen Lernen der Weltbürger auf, um sich auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten: Welches Wissen, welche Werte, welche Einstellungen und Fähigkeiten benötigen Menschen, die eine friedli- chere, gerechtere, freiheitlichere, sicherere und nachhaltigere Welt gestalten wollen?
Derzeit verschärft die Globalisierung die Probleme von Klimawandel und Verteilungsungerechtigkeit von Arm und Reich. Dazu kommen religiöser und politischer Fundamentalismus. Weder einzelne Regierungen noch internationale Konferenzen, wie zum Beispiel die Weltklimakonferenzen, scheinen diese Probleme alleine lösen zu können. Wenn wir der Erde, ein anderes Gesicht geben wollen, dann braucht es alle Menschen als Bürger und Weltbürger.
Manche bekommen es angesichts des Globalen mit der Angst zu tun, denn man kann in der großen weiten Welt leicht den Überblick verlieren. Und wer möchte schon zugeben, dass er oder sie so vieles nicht weiß? Das geht aber allen Menschen so. Und beim globalen Lernen ist der Ausgangspunkt sehr wichtig, dass jede Person ihr eigenes wertvolles Wissen mitbringt, das in ihrem eigenen Kontext entstanden ist.
Wir sehen die Welt durch unsere “Brille”. Diese Brille wird beein usst von äußeren Faktoren (wie Kultur, Medien, Religion, Bildung, Erziehung), inneren Faktoren (wie Persönlichkeit, Reakti- onen, Kon ikte) sowie Begegnungen und Beziehungen. Das Bild, das wir durch diese Brille sehen, bildet unser
Wissen von uns und der Welt ab. So hat jede Person ihre eigene Geschich- te, die Anerkennung und Wertschät- zung verdient.
Alles Wissen ist einseitig und unvoll- ständig. Da unsere „Brille” in einem spezi schen Kontext entsteht, fehlt uns das Wissen aus anderen Kontex- ten. Deshalb ist es für uns nötig und wichtig, andere Perspektiven wahrzu- nehmen um über die Grenzen unserer eigenen Brille hinaus zu blicken und zu denken.
In Partnerschaftsbegegnungen in Deutschland und Tansania zum Bei- spiel, aber auch bei anderen internationalen Begegnungen, können wir gemeinsam global lernen mit dem Dreischritt von Erkennen – Bewerten
– Handeln. Bei diesem Lernen geht es nicht nur um bloße Wissensver- mittlung, sondern um Lernen, das einen verändert. Durch den Austausch über Fremdwahrnehmungen und das Nachdenken über sich selbst wird eine neue Sichtweise auf die eigene und fremde Welt eröffnet und damit neue Möglichkeiten, so zu handeln, dass alle Menschen ein Leben in Fülle (Jo- hannes 10,10) leben können.
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In den vielfältigen Begegnungen und Be- ziehungsformen der Partnerschaftsarbeit lernen wir als Deutsche und Tansanier miteinander, was es heißt, verantwortliche Bürger in der Einen Welt zu sein. „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, werden das Ge- sicht der Welt verändern...“ (Kanon aus

01 Juni 2017