Orientierende Überlegungen zu Abendmahl und Mahlfeier in der Corona-Krise - 08.04.2020

Kirchenpräsident Volker Jung

Wir glauben und vertrauen darauf, dass Jesus Christus im Wort ganz gegenwärtig ist. Deshalb ist es wichtig, dass das Evangelium verkündigt und gefeiert wird, auch dann, wenn keine gottesdienstlichen Versammlungen möglich sind. Dies geschieht zurzeit in vielfältiger Form in Gottesdienstübertragungen in Radio, Fernsehen und auch im Netz sowie in anderen Formen medialer Vermittlung.
In der Karwoche und am Osterfest ist die Teilnahme an einer Abendmahlsfeier für viele evangelische Christinnen und Christen in ihrer Glaubenspraxis sehr wichtig. Die Gegenwart Christi im Wort erfüllt auch das Abendmahl. Das Abendmahl ist keine Steigerung dieser Gegenwart. Das Abendmahl hat aber eine besonders vergewis- sernde Kraft darin, dass Christi Gegenwart und Nähe in Brot und Wein „leibhaftig“ erfahren werden – persönlich und in der feiernden Gemeinde. Das Abendmahl ist nach evangelischem Verständnis ein Sakrament. Dazu gehört, dass die Einset- zungsworte gesprochen und Brot und Kelch gereicht werden. Nach Bekenntnis (CA 14) und Ordnung (LO-EKHN Abschnitt II Nr. 121) wird die Abendmahlsfeier von einer Person geleitet, die zur Sakramentsverwaltung berufen ist. Eine Leitung durch Gemeindeglieder erfordert – so die Lebensordnung der EKHN – eine entsprechende Beauftragung.
Wie kann in einer Zeit, in der keine gottesdienstlichen Versammlungen möglich sind, Abendmahl gefeiert werden? So wird zurzeit aus einem tiefen geistlichen Bedürfnis heraus gefragt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage nach einer Abend- mahlsfeier zuhause oder auch um die Möglichkeit, medial an einer Abendmahlsfeier teilzunehmen. Letztere Frage stellt sich noch einmal besonders im Blick auf Qua- rantäne-Situationen in Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern, weil Menschen dort manchmal ganz allein sind.
Darüber werden in diesen Tagen viele Debatten geführt. Sie zeigen, dass es unter- schiedliche Positionen und Einschätzungen gibt und auch offene Fragen. Besondere Situationen führen immer an Grenzen. Es ist wichtig, dass wir uns dies zugestehen und diese Situation auch als Herausforderung begreifen, in der sicher manches geschieht, was im Nachhinein noch einmal betrachtet und reflektiert werden muss. Darin liegen aber auch Chancen, neue Möglichkeiten zu entdecken.
Hier soll kurz skizziert werden, was jetzt bedacht werden kann, um verantwortete Entscheidungen zu treffen. Und zugleich soll auf die Möglichkeit hingewiesen werden, im häuslichen Rahmen Mahlfeiern zu gestalten, die keine Abendmahlsfeier sind, aber die Erinnerung an das Abendmahl feiern.


1. Abendmahl zuhause
Eine zentrale Frage ist, ob eine häusliche Abendmahlsfeier von einer Person geleitet werden kann, die nicht zur Sakramentsverwaltung berufen ist. Dass dies in Notsitua- tionen aufgrund des Verständnisses des allgemeinen Priestertums aller Glaubenden möglich ist, sieht die Lebensordnung der EKHN vor (LO Abschnitt II, Nr. 125). Andere Landeskirchen haben diese Regelung auch und erklären mit der Empfehlung häusli- cher Abendmahlsfeiern implizit oder auch explizit die gegenwärtige Situation zu einer solchen Notsituation. Dies tut etwa die Evangelische Kirche im Rheinland, die auch den Vorschlag für ein Abendmahl entwickelt hat, der in der Chrismon-Osterbeilage publiziert wird. Wir sind in der EKHN diesen Schritt nicht gegangen, halten es aber für möglich, dass eine Pfarrerin oder ein Pfarrer in Einzelsituationen eine Beauftragung „für Zeit und Ort“ (pro tempore et loco) ausspricht. In beiden Fällen sind gut begründete Entscheidungen auch im Blick auf die Ökumene sehr wichtig, da im Eucharistie-Verständnis der römisch-katholischen Kirche die Leitung der Feier eine besondere Bedeutung hat.


2. Abendmahlsgemeinschaft medial
Eine Abendmahlsfeier in medialer Gemeinschaft würde so stattfinden, dass an einem Ort die Einsetzung des Abendmahles durch eine dazu berufene Person erfolgt. Diese wird übertragen – in der Regel im Internet. Natürlich sind auch Fernsehen und Radio denkbar. Diejenigen, die an der Feier medial und in der Regel zeitgleich teilnehmen, haben Brot und Kelch bereitgestellt und nehmen sich dies dann selbst oder lassen es sich nach Möglichkeit von einer zweiten Person reichen. Letzteres würde die wichtige Dimension des Empfangens natürlich viel besser einbeziehen. Allerdings mag auch das in der Quarantäne nicht immer möglich sein. Ein Problem ist es, dass bei der medialen Feier Leiblichkeit, und zwar im Blick auf die konkreten Elemente, über denen die Einsetzungsworte gesprochen werden, und die leibliche Begegnung derer, die am Abendmahl teilnehmen, nicht direkt erlebt wird. Andererseits kann betont werden, dass die geglaubte Gegenwart Christi auch all die umschließt, die medial vermittelt miteinander Gottesdienst feiern.

Wichtig wäre allerdings auch bei der Abendmahlsfeier in medialer Gemeinschaft, dass mit den Gaben des Mahles auch vor und nach der Feier sorgsam umgegangen wird. Die Abendmahlsfeier in medialer Gemeinschaft verdient insbesondere angesichts der besonderen seelsorglichen Herausforderungen in Quarantäne-Situationen eine neue Aufmerksamkeit. Gleichwohl ist es nötig, auch die hier entstehenden neuen Erfah- rungen kritisch zu prüfen und theologisch umfassend zu bedenken.

3. Mahlfeier
Bei vielen wird es allerdings auch so sein, dass sie sich die eigene Teilnahme am Abendmahl nur in der Feier des Gottesdienstes vorstellen können und sie auch so erleben möchten. Für den häuslichen Rahmen ist eine Mahlfeier, die an das Abend- mahl erinnert, das Jesus mit den Seinen gefeiert hat, eine gute Möglichkeit der geist- lichen Stärkung. Hierzu hat das Zentrum Verkündigung Vorschläge für Mahlfeiern an Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern entwickelt. Sie sind abrufbar unter www.zentrum-verkuendigung.de.

11 April 2020