Sonntag Jubilate, 3. Mai 2020

Katharina Stähler


Predigttext: Johannes 15, 1-8
Jesus sagt: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.“
Gedanke:
Dieser Bibeltext betont die Gemeinschaft, die wir untereinander haben und die Beziehung, die wir zu Gott haben.
Im Moment erleben wir mehr denn je die Herausforderung, uns gedanklich eine Gemeinschaft vorzustellen. Auch in „normalen“ Zeiten denken wir in jedem Gottesdienst darüber nach, dass wir in einer Gemeinschaft von über 2 Milliarden Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt sind. Aber diese „abstrakte“ Gemeinschaft zu erleben, fällt in normalen Zeiten doch leichter, denn wir sitzen mitten in unserer kirchengemeindlichen Gemeinschaft in der Kirche, mit der Banknachbarin zur Rechten und dem Banknachbarn zur Linken!

Jetzt sitzen wir sonntags alleine zuhause oder mit nur ganz wenigen Menschen.

Frage 1): Spüre ich die Gemeinschaft auch heute, an diesem Sonntag Jubilate 2020? Spüre ich die Verbundenheit mit meinen Geschwistern hier in Wallau und Weifenbach, spüre ich die weltweite Gemeinschaft – auch wenn sie unsichtbar ist?
Gedanke:
Im Predigttext heißt es: „Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen.“ Es ist verständlich, dass jeder Winzer seine Reben pflegen und schlechte Triebe abschneiden und wegwerfen muss. Aber als Bild für die Gemeinschaft? Klingt es dann nicht eher wie eine Drohung: wer nicht das bringt, was gefordert wird, wird ausgestoßen?

Frage 2): Sind Gemeinschaften, die mit Drohungen zusammengehalten werden auf eine gute Art „Gemeinschaft“? Und wie weiß ich, ob ich eine gute Rebe bin und „Frucht“ trage? Wer kann darüber urteilen? Ich selber? Der Kirchenvorstand? Die besonders „Frommen“? Der Pfarrer/die Pfarrerin?
Gedanke:
Jesus selbst hat immer wieder Gemeinschaft geübt mit Menschen, die nach gängiger Meinung nur schlechte „Frucht“ gebracht haben und deshalb ausgestoßen wurden: Kranke, Prostituierte, Zöllner. Jesus hat sie zurück zum „Weinstock“ gebracht, zu Gott. Er sagte: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“
Zu wissen, dass ich nicht alleine bin, sondern in der Gemeinschaft mit vielen anderen bin, stärkt mich. Und das Wissen, dass die Verbindung zu Gott stark ist, auch dann, wenn ich es nicht merke.

Frage 3): Was gibt mir jeden Tag den Mut, das zu tun, was nötig ist? Was gibt mir Kraft auch an dunklen Tagen?
Gedanke:
Dietrich Bonhoeffer hat in der letzten Strophe seines Gedichts „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ (EG 65) gedichtet:
„Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.“
Die unsichtbare Gemeinschaft aller, die daran glauben, dass Gott der Weinstock ist und wir seine Reben, ist eine Quelle, die immer wieder Kraft schenkt.

Vorschlag: Augen schließen, tief einatmen, in sich hineinhören.
Höre ich „jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang“?

Gebet
Gott, wir kommen zu dir mit dem, was uns freut und Mut macht, aber auch mit dem, was uns belastet und Angst macht. Wir bitten dich: Schenke uns Zeichen der Auferstehung. Sei bei uns mit deinem Geist und verbinde uns untereinander zu Schwestern und Brüder.
Gott, die Verbindung zu dir hält uns am Leben. Wir bitten dich, dass du uns und alle Menschen begleitest, die diese Verbindung zu dir dringend brauchen.
Wir bitten besonders für die Schulkinder und Kindergartenkinder, die jetzt zuhause bleiben müssen, dass nicht diejenigen, die es ohnehin schwer haben, nun ganz abgehängt werden.
Wir bitten besonders für Mütter und Väter, die zuhause sind und ihre Kinder betreuen müssen, ohne die Unterstützung von Großeltern, Kindergarten, Schule, Vereine und anderes. Halte deine Hand über Große und Kleine.
Wir bitten besonders für die Menschen, die jetzt mehr Angst haben als sonst. Lass sie die Verbindung zu dir spüren und nicht aufgeben.
Wir bitten besonders für unsere Geschwister auf der ganzen Welt, überall dort, wo die Versorgung nicht so gut ist wie bei uns. Gib ihnen Kraft und Mut.
Du Gott, bist der Weinstock, wir sind deine Reben. Sei uns nahe, heute und jeden Tag.

Persönliche Fürbitten und Vaterunser
Segen

Gott, der dich wahrnimmt, lasse dich erfahren, was er dir zugesagt hat:
bei dir zu sein in Angst und Unsicherheit,
zu dir zu stehen in Ausweglosigkeit und Verlassenheit,
dich zu trösten, wenn du bekümmert bist,
deine Bedürftigkeit zu Herzen zu nehmen, was immer auf dir lastet.
Er schenke dir, was du dir selbst nicht geben kannst:?wachsendes Vertrauen?mitten in den Widersprüchen des Lebens.
(von Sabine Naegeli)

01 Mai 2020